»Mein Aufbruch fand vor 4 Jahren statt, als ich aus dem Schwabenland nach Jena kam. Geprägt von westdeutscher Überheblichkeit kam ich zwar aufgeschlossen, aber doch überrascht über den angenehmen zwischenmenschlichen Umgang hier an. Jetzt gefällt es mir hier so gut, dass ich fast gar nicht mehr wegwill … einzig die Entfernung zur Familie könnte mich zu einem erneuten Aufbruch zurück in den Westen bewegen.«

Anonym aus Jena / Winzerla, geboren 1986 in Waiblingen, BRD

Was war der wichtigste Aufbruch in Ihrem Leben? Mit welchen Aufbrüchen war der Umbruch 1989/90 für Sie verbunden? Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft? Schreiben Sie uns:

  1. »Geboren in Leipzig, brach ich als Kind im September 1989 zur Republikflucht in die CSSR auf, landete über Umwegen in der südwestdeutschen Provinz. Kam zum Studium wieder in den Osten und landete 2019 – 30 Jahre später – in Jena, um als erster Ostdeutscher ein Ordinariat in meinem Fach zu übernehmen. Dies war in Jena, anders als an anderen Orten, keine Ausnahme. Transformation geglückt? Eher der erste Schritt…«

    aus Jena, geboren in Leipzig DDR, war am 9 November 1989 In einer Flüchtlingsunterkunft
  2. »Ich verbinde mit der Wende weniger Aufbruch als vielmehr Umbruch. Ich war 18 und sowieso dabei mich abzunabeln und meinen eigenen Weg zu gehen. Ich war in Sozialismus mit vielem nicht zufrieden, aber den Kapitalismus wollte ich auch nicht. 1990 hat sich meine Zwillingsschwester umgebracht, meine Eltern haben sich selbstständig gemacht und hatten viele Sorgen wegen all dem. Ich bin zu Hause ausgezogen und habe nach einem Beruf gesucht. In Leipzig und Weimar machte ich erschreckende Erfahrungen mit Rechten, Ausländerhass und Polizeigewalt auf Demonstrationen. Die bunte Konsumwelt überall fand ich überfordernd. Alles in allem kein strahlender Aufbruch…«

    Anonym, geboren in Weimar
  3. »Als die Mauer fiel, saß ich hochschwanger auf dem Sofa und schaute fassungslos auf die Bilder im Fernsehen. Ich habe mir keine Wiedervereinigung gewünscht, sondern einen Umbruch in der DDR. Leider wurde uns ein sehr fremdes System übergestülpt, mit allen Konsequenzen. Ich bekam nach der Geburt unseres Kindes noch für sieben Monate die volle Lohnfortzahlung, das „Babyjahr“, bis meine Institution aufgelöst wurde und ich ein Fall für das Arbeitsamt war. Was ich dort erlebte, würde ich mir heute nicht mehr gefallen lassen. Da saßen Personen, die plötzlich Macht über das Schicksal anderer Menschen hatten und diese Macht genussvoll auslebten. Mit zwei kleinen Kindern galt ich als nicht vermittelbar und fiel bald aus der Statistik. Wir lernten Situationen kennen, die wir uns nie hatten vorstellen können: Das Gehalt meines Mannes reichte kaum zum Überleben für vier Personen, war aber zu viel, um Anspruch auf Sozialhilfe oder Wohngeld zu haben. Ringsum erlebten wir, wie Menschen, die bis dahin erfolgreich im Beruf gewesen waren (auch ich), nichts mehr wert waren. Wir sahen plötzlich Leute auftauchen, die wenig Ahnung, aber viel Selbstbewusstsein hatten und uns erklären wollten, wie die Welt funktioniert.Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis sich unsere wirtschaftliche Situation so stabilisiert hatte, dass wir nicht mehr jeden Monat das Konto überziehen mussten.Heute geht es uns wirtschaftlich gut, aber wir sehen mit Sorge die Verwerfungen in der Gesellschaft, die ihre Wurzeln in dem unserer Meinung nach völlig überstürzten Beitritt zur BRD haben. Die Entsolidarisierung, der Neid, der Frust und die Gewalt – das sind alles Folgen der Phase, in der vielen Ostdeutschen ihre Identität einfach geraubt wurde. Vieles wurde einfach zerschlagen und wird heute mühsam und teuer wieder aufgebaut, weil es sich als gut erwiesen hat. Bertold Brecht hat gesagt, erst komme das Fressen, dann die Moral, und er hatte recht. Die ideelle Freiheit nützt den meisten Menschen wenig, wenn die materielle Freiheit fehlt. Und seien wir doch ehrlich: Der Großteil der Menschen, die damals über Ungarn oder die Botschaft in Prag abgehauen sind, wollte doch nur einen Golf, Bananen und nach Malle fliegen.Zurück möchte ich nicht, aber ich bin froh und dankbar dafür, dass ich in der DDR aufwachsen durfte und dort sozialisiert wurde, und ich blicke trotz Stasi-Opferakte nicht mit Bitterkeit zurück. Ich nutze die Chancen und Möglichkeiten, die sich mir heute bieten, engagiere mich vielfach ehrenamtlich, in der Flüchtlings- und Nachbarschaftshilfe, als Schöffe, in der Bürgerstiftung und in mehreren Vereinen.Und denke immer noch, dass es besser gewesen wäre, unser Land umzugestalten und dann zu schauen, ob und wann eine Vereinigung möglich gewesen wäre, eine Vereinigung, kein Beitritt, kein Überstülpen. Ein gleichberechtigtes Miteinander. Dann würde ich vielleicht heute nicht mehr erleben, dass Leute aus der alten BRD auf mich zukommen und gönnerhaft sagen: „Na, Ihr wart damals aber froh, als Ihr zur BRD gekommen seid, oder?“«

    Anonym aus , geboren in der DDR, war am 9 November 1989 zu Hause, im Babyjahr
  4. »Mit Jena verbindet mich bis heute eine freundschaftliche Verbindung, die aus einer kommunalwirtschaftlichen Zusammenarbeit hervorging. Als Vorstand der Erlanger Stadtwerke wurde ich gebeten, meine Erfahrungen in den Bereichen Fernwärme, Wasser und Busverkehr mit Jena zu teilen. Ich tat das mit großer Freude und dank der großen Unterstützung aus meiner Belegschaft auch mit einigem Erfolg. Ich bin sogar sicher, Jena damit vor manch einer Fehlinvestition bewahrt zu haben. Wie auch immer: Es ist schön zu sehen – und ich konnte mich davon bei vielen Besuchen immer wieder überzeugen –, wie positiv sich Jena in jeder Hinsicht entwickelt hat und wie gut das deutsch-deutsche Miteinander hier bis heute gelebt wird. Ich bin nun schon lange im Ruhestand und kann nicht mehr aktiv eingreifen, aber ich wünsche Jena von Herzen Erfolg bei der Bewerbung um das Zukunftszentrum, denn wir haben hier gemeinsam schon vor gut 30 Jahren Zukunft geschrieben und die Voraussetzung für all das geschaffen, worauf wir heute alle stolz sein dürfen.«

    Rolf Wurzschmitt aus Erlangen, geboren in Würzburg, war am 9 November 1989 Erlangen
  5. »Das Leben besteht aus vielen kleinen und größeren Veränderungen, die man oft nur gemeinsam mit anderen meistern kann. Darum finde ich Zusammenhalt sehr wichtig!«

    Tobias aus Jena, geboren in Bayern
  6. »Ich war 1989, noch vor dem Beitritt, in Jena. 1 Juice im Rosenkeller: 0,53 Pfennige Ost. Umtauschkurs 1DM : 20 Mark Ost! In der Weinperle: Glas oder Flasche? – Was kostet die Flasche? 14 Mark. Dann natürlich die Flasche. Gefühle, die ich heute nicht mehr beschreiben kann.«

    Gerd Borrmann aus Erlangen, geboren 1953, war am 9 November 1989 zuhause - ungläubig vor dem Fernseher
  7. Kundgebung zur Anerkennung der neuen Parteien und Bürgerbewegungen und für freie Wahlen in der DDR auf dem Platz der Kosmonauten, Jena 26.11.1989

    »Viele Menschen meines Alters kennen das Gefühl: Über 30 Jahre nach dem Mauerfall weiß man nicht mehr recht, inwieweit man die Bedeutung der Ereignisse als Kind schon erfasst hat und was man sich erst später angelesen hat. Ich war gerade einmal neun Jahre alt, als die Menschen in der DDR mutig demokratische Veränderungen in ihrem Land forderten. An die Fernsehbilder von den Montagsdemonstrationen und schließlich vom Fall der Berliner Mauer kann ich mich noch erinnern. Ich glaube aber nicht, dass ich die Tragweite verstanden habe. Doch noch heute beeindrucken mich die Geschichten der Zeitzeug*innen, die nicht zuletzt durch die enge Partnerschaft zu Jena auch in Erlangen sehr präsent sind. Heute, fast 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR, gibt es eine Generation junger Menschen, für die die Ereignisse noch weiter entfernt sind. Sie sind in einem geeinten Land aufgewachsen, sie haben nicht mehr in Erinnerung, wie die Eltern ungläubig vor dem Fernseher saßen. Gerade für diese Menschen kann der Mut der Bürgerinnen und Bürger in der DDR aber Ansporn sein: Für Demokratie und Freiheit auf die Straße zu gehen und auch vor Einschüchterungen nicht zurückzuweichen. Gerade heute, wo Autokraten und Rechtspopulisten diese Werte in Frage stellen, wo demokratische Institutionen auch in europäische Nachbarländern ausgehöhlt werden und wo Rechtspopulisten die Bürgerrechtsbewegung für sich vereinnahmen wollen, ist die Erinnerung an die demokratische Tradition des Herbstes 1989 noch wichtiger. Und sie kann Mut machen: Dass man gemeinsam mehr Demokratie erstreiten kann.«

    Florian Janik aus Erlangen, geboren in Erlangen
  8. »In a way, I am, fundamentally, a product of the momentous transformation that reshaped the trajectory of Eastern Europe after the fall of the Iron Curtain and the breakup of the Soviet Union. Born in 1982 at the Soviet periphery, my first relatively articulate memory of radical change is firmly associated with the August 1991 abortive coup in Moscow (the Scorpions’ Wind of Change is still, incidentally, one of my favorite songs)… Although, obviously, too young to process these events in any politically meaningful way, I distinctly remember the confused and mixed feelings of danger and exhilaration that I experienced at the time. I also had the chance to be part of the literally first generation of Moldovan schoolchildren which were educated – starting with September 1, 1989, a date which symbolically marked the switch from the Cyrillic to the Latin alphabet for my native Romanian in still Soviet Moldova – in an atmosphere of increasing liberalization and pluralism, despite the inherent limits of the post-Soviet transition marked by the nationalizing tendencies and material deprivation of the 1990s. Perhaps the most (trans)formative experience of all – that is, for me, inextricably linked to the spirit of 1989 at its best – was my privilege to become a part of the cosmopolitan and diverse community of the Central European University during the greater part of the 2000s, when optimism about the prospects of building a truly open society in Central Europe seemed much better than they appear today. That city of Budapest – with a thriving international student body, a seemingly limitless openness to change and to the wider world, and a welcoming and friendly attitude toward the ‘Other’ – will forever remain a part of my identity. It was also the closest approximation of the ‘ideal West’ I could imagine when I first left my native country, in 2001. I never felt something similar so strongly again as when I came to Jena last year, as a fellow of the Imre Kertész Kolleg.«

    Andrei Cusco aus Chișinău
  9. »I have experienced the best of the transformative power of Jena University as a fellow at the Imre Kertész Kolleg – a vibrant space for research and dialogue where professional expertise coexists with warm sociality. Jena is excellently positioned to be a hub for East-West encounters and collaboration.«

    Daniela Koleva aus Sofia
  10. »Erlangen – Jena, das ist mit Blick auf die ehemalige deutsche Teilung eine besondere Partnerschaft. Seit es die Partnerschaft gibt, haben eine Fülle von gemeinsamen Veranstaltungen in Sport, Kultur, Gesellschaft stattgefunden. Seit Jahren auch unter den Jugendlichen: Unter anderem stehen die Jugendparlamente beider Städte im Austausch miteinander. Daran sieht man, dass es diese Partnerschaft nicht nur auf dem Papier gibt, sondern dass sie lebt – und gelebt wird von den vielen Menschen aus Erlangen und Jena. Daher hat es Jena mehr als verdient, Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation zu sein. Die Geschäftsführung des Jugendparlaments drückt für die Bewerbung die Daumen!«

    Anonym
  11. »Als Tischtennis-Spielerin des ATSV Erlangen war ich mit meinen Sportfreunden/innen dabei, als das 1. Treffen mit den Tischtennis-Spielern aus Jena (Tischtennis SV Jena Zwätzen) stattfand und noch einige Jahre (incl. gemeinsames Tischtennisspielen) mal in Jena, mal in Erlangen fortgeführt wurde. Es waren wunderbare Zeiten und mit einer Freundin sind mein Mann und ich immer noch befreundet.«

    Brigitte Forke aus Erlangen, geboren in Celle, BRD, war am 9 November 1989 Zuhause in Erlangen
  12. »Zwischen DDR und Bundesrepublik! Ich bin in Sachsen geboren, aber in Franken aufgewachsen. Unsere Familie hatte aber Onkel, Tanten, Oma und Opa im Osten. Als die DDR gegründet wurde und die Grenzen zwischen Ost und West geschlossen wurden, war es für uns schwer Oma und die anderen Verwandten in Osten zu besuchen. Besonders meine Mutter war sehr, sehr traurig darüber, dass sie ihre Geschwister nicht mehr so oft sehen konnte. Für uns war es sehr umständlich in die DDR einzureisen. Wir mussten einen Antrag stellen, und Begründung warum wir in die DDR einreisen wollen. Wenn wir dann das Visum hatten und wir reisen konnten, hatte ich Angst was an der Grenze auf uns zu kam. Einmal mussten wir die Sitze vom Auto ausbauen, einmal musste ich 3 Stunden warten, denn ich hatte 2 Anzüge von meinem Vater dabei, der gestorben war. Sind wir endlich an unserem Ziel angekommen, mussten wir zur Polizei gehen und uns anmelden und bei der Abreise abmelden. Ich hoffe inständig, dass diese Art von Völkertrennung nie mehr vorkommt. Auch bin ich sehr froh darüber, dass die Vereinigung, friedlich zustande kam. Ein Zukunftszentrum Deutsche Einheit würde ich in Jena sehr begrüßen.«

    Hella Reinke aus Erlangen
  13. Demonstration für die Reformierung des Bildungswesens durch die Jenaer Innenstadt am 22.11.1989

    »Ich wollte Abitur machen, unbedingt. In den Jahren vor der Wende sagte meine Klassenlehrerin immer wieder zu mir: „Du gehst in die Kirche. Du weißt, dass ich Dich daher kaum zum Abitur delegieren kann.“ Meine Eltern sagten: „Du musst eben die Beste sein.“ Meine Klassenlehrerin sagte: „Werde Gruppenratsvorsitzende, schreibe Beurteilungen über Mitschüler, fälsche die Gruppenratswahl (natürlich sagte sie das nicht in diesen Worten, aber es lief darauf hinaus). Ich tat das alles, denn ich wollte das Abitur. Je mehr sich die Wende ankündigte, je mehr Flugblätter in unsere Wohnung kamen, verbotene Bücher über Umweltzerstörung in Bitterfeld und im Erzgebirge, je mehr Mitschüler in den Westen verschwanden, umso unerträglicher wurden diese vielen kleinen Kompromisse für mich. Ich war in einen Sumpf geraten, ich schämte mich, und ich wusste nicht mehr, wie hinaus. Und dann, die wunderbaren Nachrichten des Sommers und Herbstes 1989! Ich ging zu den ersten Versammlungen in der Jenaer Stadtkirche, ich wurde auf einem der ersten Demonstrationszüge fotografiert und ich wusste, die DDR gibt mir keinen Abiturplatz mehr. Aber darauf war ich auch nicht mehr angewiesen, denn mit der Wende öffnete sich mir ein Weg nach draußen – ins Freie, ins Bunte und Ungeplante. Dieses Glück begleitet mich noch heute.«

    Anne aus Jena, geboren in aufgewachsen in Jena
  14. »Dank des Umbruches 1989/90 wurde ich in ein geeintes Deutschland geboren, zumindest augenscheinlich. In meinem Heimatdorf in Thüringen wird auch Jahre nach der Wiedervereinigung noch zwischen West und Ost, Wessis und Ossis unterschieden. Ich selbst bin in einer Familie aufgewachsen, in der diese kategorische Trennung nie eine Rolle spielte. Der größte Aufbruch in meinem Leben war dennoch der Umzug aus dem „Osten“ in den „Westen“. Meinen Bachelor absolvierte ich zunächst in Jena. Die Studienzeit in Jena ist eine der schönsten und prägendsten Erfahrung meiner Jugend gewesen. In dieser Zeit schloss ich Freundschaften fürs Leben und lernte meine erste Liebe kennen. So schön diese Sorglosigkeit und Leichtigkeit war, so schmerzhaft endete es jedoch auch und somit auch die Zeit in Jena. Mit einem gebrochenen Herzen im Gepäck ging es für mich weit weg von Familie und Freunden in den „Westen“ um den Master zu absolvieren. Die ersten Monate waren unfassbar hart. Heimweh, Liebeskummer, Haltlosigkeit und auch ein Gefühl von Fremdheit machten mir den Alltag schwer. Mir wurde nun bewusst, dass es doch Unterschiede zwischen „West“ und „Ost“ gibt. Doch eine große Gemeinsamkeit hat mich in diesen Zeiten Mut schöpfen lassen: egal wo auf der Welt, man findet überall Freunde, die schwere Zeiten leichter machen. Mein Wunsch für die Zukunft ist deshalb, sich mehr auf die Gemeinsamkeiten zu besinnen, die uns als Menschen vereinen, einander eine helfende Hand reichen, unabhängig von Herkunft. Die Unterschiede sollten nicht verleugnet werden, im Gegenteil, der transparente Umgang damit ist essentiell, um diese nicht zu einem Instrument von Konflikten und Zerwürfnissen werden zu lassen. Und auch wenn ich mich anfangs fremd und verloren in der neuen Stadt fühlte, die Unterschiede zunächst als befremdlich wahrnahm, kann ich nun nach einem Jahr sagen: ich bin Zuhause. Ich bin dankbar für die Gemeinsamkeiten, die uns vereinen und die Unterschiede, die uns besonders machen. Wie es für mich weitergeht? Jena wird immer mein Herz haben. Diese Stadt soll nicht nur meine Vergangenheit geprägt haben, sondern bald wieder zum Schauplatz meiner Zukunft werden.«

    Anonym, geboren in Mühlhausen/Thür. (ehemalige DDR)
  15. »Mein wichtigster Aufbruch war ein Ausbruch: die Republikflucht 1957 aus der DDR, der Ausbruch aus einem System der Unfreiheit und Unterdrückung. Bei einem Studentenfest hatte mir mitten auf der Tanzfläche in der Mensa eine Angestellte des Rektorates ins Ohr geflüstert: „Ich habe deine Personalakte gelesen. Hier wirst du nichts. Du wirst als Katholik unserem Staat gegenüber kritisch bis feindlich eingeschätzt.“ Diese Einschätzung entsprach der Wahrheit. Einige Wochen später saß ich im Zug nach Bayern, denn ich hatte überraschend Reisepapiere für eine besuchsweise Ausreise erhalten. Auch die strengen Pass- und Gepäckkontrollen durch die Grenzpolizei verliefen ohne Zwischenfälle. Als der Zug die Grenze überquerte, sagte einer der Mitreisenden: Jetzt sind wir im Westen. Da ging ein Aufatmen durch das Abteil. Die Menschen, die eben noch stumm und bedrückt dagesessen hatten, waren fröhlich und sprachen miteinander. Der Druck war weg. Mein Leben in Freiheit und Demokratie konnte beginnen.Es folgten 15 Jahre, in denen Jena für mich verbotenes Land war. Erst seit der neuen Ostpolitik von Willi Brandt war es mir Republikflüchtigem wieder möglich, die DDR zu besuchen. Nach dem Wunder von Mauerfall und Wiedervereinigung verfolgte ich die ersten Veränderungen in Jena mit bangem Interesse und sah dann Jena aufbrechen in die neue Bundesrepublik. Jena ist eine wunderschöne Stadt geworden. Es hat den Aufbruch geschafft und das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ verdient.«

    Hans-Joachim Preuß aus Erlangen , geboren in Frankenstein/Schlesien, war am 9 November 1989 In Bonn
  16. »Mein wichtigster Aufbruch führte ins wiedervereinigte Deutschland. Waren meine Kindheit und Jugend geprägt von der Unerreichbarkeit meiner Familie in Jena, lebe ich als Erwachsene noch immer jeden Tag in tiefer Dankbarkeit für den Mut der DDR-Bürger*innen, auf die Straße zu gehen und die Mauer und über 40 Jahre Trennung friedlich zu überwinden.«

    Elke Preuß aus Erlangen, geboren in Erlangen, BRD, war am 9 November 1989 vor dem Fernseher
  17. »Mein Aufbruch fand vor 4 Jahren statt, als ich aus dem Schwabenland nach Jena kam. Geprägt von westdeutscher Überheblichkeit kam ich zwar aufgeschlossen, aber doch überrascht über den angenehmen zwischenmenschlichen Umgang hier an. Jetzt gefällt es mir hier so gut, dass ich fast gar nicht mehr wegwill … einzig die Entfernung zur Familie könnte mich zu einem erneuten Aufbruch zurück in den Westen bewegen.«

    Anonym aus Jena / Winzerla, geboren in Waiblingen, BRD
  18. Warnstreik der demokratischen Bürgerbewegungen und Parteien auf dem Platz der Kosmonauten am 15.1.1990

    »Als Lehrerin an einem Erlanger Gymnasium war für mich prägend, dass ich gemeinsam mit einem Kollegen aus Jena ein Treffen zwischen Jenaer und Erlanger Schülerinnen und Schülern anläßlich der Einheitsfeier im Oktober 2010 arrangieren konnte und wir – mit Unterstützung der beiden Partnerstädte – einen Film darüber gedreht haben. Ein wirklich beeindruckendes und noch lange nachwirkendes Erlebnis für alle Beteiligten!«

    Hedwig Pichlmayr-Blessing aus Erlangen, geboren in München, war am 9 November 1989 In Erlangen
  19. »Als Student des „Orchideenfachs“ Slawistik in Bamberg sah ich mir in den 80er Jahren zwei Mal die Woche sowjetische Filme im DDR-Fernsehen an – mit allen atmosphärischen Störungen beim Empfang. Ich verfolgte natürlich all die Freiheitsbewegungen in Osteuropa und besonders die Friedliche Revolution. Als die Mauer fiel, holte man mich ins Rathaus Erlangen, wo ich ehrenamtlich seit 1987 als Dolmetscher für Gäste aus der sowjetischen Partnerstadt Wladimir tätig war, und stellte mich zunächst auf Honorarbasis dafür ein, die Ankömmlinge aus Jena in Empfang zu nehmen und eine Kontaktbörse aufzubauen. Schon bis Ende 1989 hatte ich etwa 2.500 Anfragen aller erdenklichen Art gesammelt und vermittelt. Die Begegnungen und Gespräche gaben mir Einblicke und Eindrücke, die mich bis heute in meinem Deutschlandbild prägen; aus ihnen schöpfe ich nach wie vor die Kraft für meine Arbeit, die ich seither als Partnerschaftsbeauftragter zwischen Erlangen und Jena ausüben darf. In einem bin ich sicher: Hätten wir mehr solcher bürgerschaftlichen und kommunalen Verbindungen, wäre die Einheit noch besser gelungen. Ich bin glücklich und dankbar, damals zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen zu sein. – Und welche Stadt, wenn nicht Jena sollte Standort für das Zukunftszentrum werden, mit Erlangen an seiner Seite! 35 Jahre Dialog und Austausch sprechen für sich.«

    Peter Steger aus Erlangen, geboren in Auerbach / Oberpfalz, war am 9 November 1989 In Erlangen
  20. »Die Welt ist schon immer im Umbruch und wird es auch immer bleiben. Ich persönlich habe viele berufliche Umorientierungen mitgemacht, nicht weil ich es musste, sondern weil ich es wollte. Der größte Umbruch, den ich hatte, war der von der freien Wirtschaft, zurück in die Verwaltung. Es ist wichtig, dass vor allem die Verwaltung aktiver wird und sich endlich zu den Umbrüchen bekennt und sie als Vorreiter der Gesellschaft mitmacht, damit wir vom Sozialstaat zum Sozialstaat 2.0 wachsen (Digitalisierung, Vereinfachung, Beschleunigung bei behördlichen Wegen und Anträgen).«

    Michael Walther aus Jena, geboren in Sömmerda, DDR, war am 9 November 1989 Kahla, Thüringen
  21. »Die erste Fahrt als Familie in „den Westen“ vergesse ich nicht. In Nürnberg schenkte uns eine Familie Spielsachen und Südfrüchte. Ich vergesse nie, wie meine zweijährige Schwester in eine ungeschälte Mandarine biss.«

    Dirk Postler aus Jena, geboren in Zwickau, war am 9 November 1989 zu Hause in Zwickau
  22. »Ja man kann zurückblicken. Und? Die Zukunft in Jena liegt in der Digitalisierung.In Jena ein Unding. Schlendorfer Oberweg. Hier sind Brieftauben schneller… Und nein, da entwicklen sich nichts. Gar nichts. Dramatisch. Für Jena.«

    Heinrich aus Jena-Ost
  23. »Ich konnte am 9. November 1989 nicht wirklich gut verstehen, was die im Fernseher gezeigten Ereignisse bedeuten würden. Die Freude in meiner Familie war aber so groß, dass ich am nächsten Tag heimlich eine Wunderkerze mit in die Schule nahm und auf dem Pausenhof mit Freunden anzündete…«

    Christian aus Weimarer Land, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 Daheim
  24. »Der für mich wichtigste Aufbruch war 1990 der Gang nach Jena – zunächst völlig unabhängig vom großen Systemumbruch der Zeit, den ich als 13- bzw. 14jähriger damals politisch nicht einmal ansatzweise einordnen konnte, aber auch nicht musste. Für mich war die politische Wende zunächst „nur“ eine extrem bewegte Hintergrundfolie für die biographische Entscheidung, das Abitur nicht in meiner Heimatstadt Zeulenroda, sondern am Carl-Zeiss-Gymnasium in Jena anzugehen.So kam ich gerade in den Jahren der für viele so grundstürzenden Transformation in den Genuss eines aus dem Bildungssystem der DDR quasi „geretteten“ Spezifikums, das mir in dieser Zeit auch Halt und Sicherheit gab: vier Jahre Unterricht an einem der Spezialgymnasien mit massiv verstärktem Unterricht in den MINT-Fächern, wegen des großen Einzugsgebiets der Schule mit Unterbringung im Internat. Die formende Zeit der Jugend war so für mich geprägt von unbändigem Leistungswillen an einer Schule von Gleichgesinnten, einerseits, und auf der anderen Seite von einer gefühlt vollkommen uneingeengten Freiheit in der Freizeit, mit der wir erst nach und nach umzugehen lernten. Politisch wurde mein Leben dann erst viele Jahre später.«

    Thomas Nitzsche aus Jena, geboren in Zeulenroda, DDR
  25. »Mein Aufbruch war der Auszug von zu Hause. Von Westen nach Osten. Das war im Jahr 2001 und Deutschland seit gut 10 Jahren ein Land. In meiner Wahlheimat Berlin ist ständiger Aufbruch an der Tagesordnung: Eine Sehnsuchtsstadt, die dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein.«

    Rik Watkinson aus Berlin, geboren in Wiesbaden, BRD, war am 9 November 1989 zu Hause. Mein Vater fuhr noch in der Nacht an die Grenze nach Thüringen, um dabei zu sein.
  26. »Ich wünsche mir, dass wir noch weiter zusammenwachsen und uns auf unsere Stärken besinnen.«

    Anne aus Schlöben, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 zu Hause in Eisenberg
  27. Einwohnerforum auf dem Platz der Kosmonauten, Jena 4.11.1989

    »Mir wäre es sehr wichtig, dass die Themen Mauerfall, deutsche Einheit, ehemalige DDR, etc. nicht nur in Ostdeutschland von Relevanz sind, sondern genauso zentral in Westdeutschland diskutiert werden.«

    Anonym aus Jena, geboren in Berlin, Deutschland
  28. »Es wird immer noch sehr viel von Ost und West gesprochen. Jede Region hat Besonderheiten, die sie lebenswert machen. Wir alle sollten neugierig sein, diese herauszufinden.«

    Annett aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 in Jena
  29. »Mein Partner ist aus Baden-Württemberg, wir hätten uns ohne deutsche Einheit nie kennengelernt.«

    Annett aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 in Jena
  30. »Mein Wunsch: Mehr Demokratie wagen – mehr kollektive Verantwortung.«

    Anonym aus Seelingstädt, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 zu Hause vor dem Fernseher
  31. »Ich wusste damals noch nicht, welch großer Schritt das in der Geschichte war. Meine Eltern bestimmt.Das wichtigste Ereignis meines Lebens: Ohne die Wiedervereinigung wäre ich jetzt nicht das, was ich bin. Mein Leben und Arbeiten wären so nicht möglich gewesen.«

    Manuela Meyer aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 im Bett vor dem Fernseher
  32. »Ich bin auf einem kleinen Dorf in Norddeutschland aufgewachsen. Mein Umzug nach Jena mit 20 Jahren, das war mein Aufbruch, aus dem Westen in den Osten. Mittlerweile fühle ich mich hier zu Hause – und gut integriert.«

    Tobias aus Jena, geboren in der BRD
  33. »Verlust des Arbeitsplatzes bei Zeiss, berufliche Umorientierung.«

    Anonym
  34. »1991 mein Studium in Jena zu beginnen, aber auch die nationalistische und rassistische Mobilisierung in Hoyerswerda und Lichtenhagen zu erleben.«

    Anonym aus Jena, geboren in der BRD, war am 9 November 1989 vor dem Fernseher
  35. »Neues Gesellschaftsmodell „erlernen“ und entdecken.«

    Anonym aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 zu Hause
  36. Aushang "Fürbittandacht für politische Veränderungen in der DDR" an der Stadtkirche Jena St. Michael, Jena Oktober/November 1989

    »Wir haben viel diskutiert, wie eine Zukunft ohne Mauer aussehen könnte. Ein geeintes Deutschland war nicht meine präferierte Idee, mit großem Enthusiasmus habe ich mir eine bessere, weltoffenere und freiere DDR vorgestellt. Sehr schnell wurde das Schulsystem auf westdeutsche Standards umgestellt, meine Abiturzeit habe ich als chaotisch in Erinnerung. Nach dem Abi tat sich plötzlich die ganze Palette der Möglichkeiten auf, da musste man sich orientieren und entscheiden.«

    Claudia Zohm aus Weimar, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 Im Orchesterlager
  37. »Reise nach Paris, aber auch die Arbeitslosigkeit meiner Eltern.«

    Constanze aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 arbeiten
  38. »Ich hatte große Angst, Wohnung und Arbeit zu verlieren und damit das soziale Gefüge.«

    Annett aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 in Jena
  39. »Ich wünsche mir mehr Mut für Entscheidungen und für das Beschreiten neuer Wege, auch wenn es nicht immer richtig sein sollte. Zukunft ist ständiger Wechsel. Transformation lebt vom Experiment.«

    Oliver aus Leipzig, geboren in der BRD, war am 9 November 1989 in Berlin
  40. »Ein komplettes Umdenken für die ganze Familie, das mit großer Unsicherheit verbunden war.«

    Anonym aus Weimar, geboren in der DDR
  41. »Ich wünsche mir ein stärkeres Bewusstsein für die unterschiedlichen Erlebnisse und Erfahrungen, die uns in Ost und West – und auch in so vielen anderen Bereichen – geprägt haben. Mehr Aufmerksamkeit beim Zuhören und mehr Mut zum Erzählen.«

    Tobias aus Jena, geboren in der BRD
  42. »Ohne die deutsche Einheit hätte ich nicht studieren und auch nicht ins Ausland gehen können. Es bedeutet für mich Freiheit.«

    Anonym aus Jena, geboren in der DDR
  43. »Ich wusste damals noch nicht, welch großer Schritt das in der Geschichte war. Meine Eltern bestimmt.«

    Mario aus Jena, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 zu Hause in Saalfeld/Saale
  44. »Wir haben viel diskutiert, wie eine Zukunft ohne Mauer aussehen könnte. Ein geeintes Deutschland war nicht meine präferierte Idee, mit großem Enthusiasmus habe ich mir eine bessere, weltoffenere und freiere DDR vorgestellt.«

    Claudia aus Weimar, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 im Orchesterlager
  45. »Vom Jungpionier zum Micky-Maus-Leser.«

    Steffen aus Saalfeld/Saale, geboren in der DDR, war am 9 November 1989 zu Hause