24. Etappe: Prager Frühling und Samtene Revolution, Tschechien

Demokratische Proteste und ihre Geschichte werden zweifellos ein wesentlicher Bestandteil des Zukunftszentrums in Jena sein. Auch auf unserer Reise durch Mittel- und Osteuropa werden wir immer wieder mit diesem Thema konfrontiert. Dabei verdichten sich die Geschichten in Prags Mitte wie an kaum einer anderen Stelle. 

Der Wenzelsplatz ist historisch wie aktuell ein Ort des demokratischen Protestes. Ereignisgeschichtlich herausragend für die Bürger in der DDR war der Prager Frühling 1968 ein Erlebnis, das zunächst zahllose Hoffnungen auf eine Liberalisierung der staatlichen Systeme im Warschauer Pakt laut werden ließ, und nach der blutigen Niederschlagung in allgemeine Lethargie verfallen ließ. 

Heute sind die Spuren am Ort des Geschehens vor allem mit dem Namen Jan Palach verbunden. Der tschechische Student wählte rund fünf Monate nach dem Einmarsch der Roten Armee und der Rücknahme der Reformen, eine extreme Form des Protestes, als er sich am Morgen des 19. Januar 1969 an den Stufen des Nationalmuseums mit Benzin übergoss, anzündete und auf den Wenzelsplatz rannte. Nur wenige Stunden später versammelten sich spontan rund 200.000 Menschen zu einer Demonstration. Palach wurde zu einer Märtyrerfigur des Widerstandes. 

Demokratische Proteste als wichtiger Bestandteil

Zwanzig Jahre nach den Ereignissen wurde der Wenzelsplatz erneut zum Zentrum des Protestes während der Samtenen Revolution. Am Höhepunkt der Demonstrationen kamen hier Ende November 1989 rund 800.000 Menschen zusammen und forderten den Rücktritt des Politbüros.  

Der Besuch des Ortes vermittelt uns einen Eindruck vom Geschehen, und er erinnert uns an die zahlreichen Stätten historischer Proteste in Ostdeutschland, wie auch darüber hinaus, die im Jenaer Zukunftszentrum-Netzwerk verbunden werden sollen. 

Den Hinweis auf die Geschichte Jan Palachs gab Vojtěch Kyncl. Der Historiker hat unter anderem in Jena studiert und ist heute Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften in Prag, die zum Netzwerk des Zukunftszentrums gehören soll. Im Vorgespräch mit ihm wurde deutlich, wie wichtig es ist, diese Verbindungen auszubauen, um auch die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit zu bewahren. In Tschechien, erklärt Vojtech, wurde diese Freiheit jüngst massiv bedroht. 

Text und Fotos: Christian Faludi